Der „Starchirurg“ aus dem Passeiertal

Dr. med. univ. Alfred Königsrainer, Sanitätsdirektor des Gesundheitszentrums ST. JOSEF © ST. JOSEF

Prof. Dr. Alfred Königsrainer gilt als einer der weltweit angesehensten Mediziner der Transplantationschirurgie. Nach seiner langjährigen Tätigkeit als Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum in Tübingen ist der in St. Leonhard in Passeiertal geborene Arzt in seine Heimat zurückgekehrt und leitet heute das Gesundheitszentrum ST. JOSEF in Meran.

Herr Prof. Königsrainer, Sie zählen in Ihrem Fachgebiet der Transplantationsmedizin zu den ganz großen Talenten und sind wahrscheinlich für viele junge Kollegen ein Vorbild. Ihre familiären Wurzeln liegen im Passeiertal. Wie kam es dazu, dass Sie sich für die Chirurgie zu interessieren begonnen haben?

In St. Leonhard, wo ich aufgewachsen bin, gab es im Haus meiner Eltern eine Arztpraxis, und als kleiner Junge war ich schon früh beeindruckt von der Arbeit des Arztes. Ich begann Medizinbücher zu lesen und wusste von da an, dass ich eines Tages selbst diesen Beruf ausüben wollte.

Nach Abschluss der Matura und dem Studium der Allgemeinmedizin in Innsbruck absolvierten Sie Ihre Facharztausbildung an der Innsbrucker Universitätsklinik. Was waren in dieser Zeit Ihre wertvollsten Erfahrungen?

Während meiner Facharztausbildung an der Innsbrucker Universitätsklinik in den 80er Jahren erlebte die Transplantationschirurgie ihren großen Aufschwung. Als junger ambitionierter Mediziner war es für mich daher selbstverständlich, Teil dieser faszinierenden Entwicklung zu sein. Gleichzeitig gab es auch in der Tumormedizin neue Entwicklungen, die mich in den Bann  zogen.

Neben Ihrer Arbeit in Innsbruck waren Sie zeitweise auch in Mailand, Hamburg, Brüssel und in London tätig. Was hatte Sie damals in diese Städte geführt? Inwieweit waren diese Standorte wichtig für Ihre weitere berufliche Laufbahn?

Meine Studienaufenthalte in Mailand, Hamburg, Brüssel und London waren motiviert, neue Bereiche bzw. Angebote in Innsbruck zu etablieren. In Mailand beispielsweise konnte ich mich mit der Inselzelltransplantation bei Diabetes mellitus vertraut machen, während ich in den anderen Zentren gerade in Belgien und England Erfahrungen in der Lebertransplantationen bei kleinen Kindern und Säuglingen machen konnte, um diese Konzept dann in Österreich etablieren zu können.

In Innsbruck wurden Sie stellvertretender Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemein- und Transplantationschirurgie. Von da aus ging für Sie der Weg 2004 nach Tübingen, wo Sie zum Ärztlichen Direktor für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum in Tübingen berufen wurden. Wie ist es dazu gekommen?

Meine Berufung zum Ärztlichen Direktor für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen entsprach dem üblichen akademischen Weg. Es war der nächste Schritt in meiner Karriere, mich in einer universitären Struktur zu bewerben. Ich bin immer noch dankbar dafür, dass ich als Nicht-Deutscher diese Position in Deutschland erreichen konnte.

Was waren für Sie persönlich bisher die wichtigsten Meilensteine Ihrer Arbeit?

Die wichtigsten Meilensteine meiner Arbeit waren die Transplantation aller Bauchorgane bei Kindern und Erwachsenen, das Erleben und die Gestaltung der moderne Beeinflussung des Immunsystems zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen und die Entwicklung neuer Konzepte in der Tumorchirurgie, wo die Chirurgie immer eine zentrale Rolle spielt. Es geht vielfach darum, zu bestimmen, was muss im Körper verbleiben, damit ein normales Leben möglich ist, oder anders ausgedrückt, wie viel ein Mensch benötigt, um mit einer akzeptablen Lebensqualität zu überleben.

Welches waren Ihre Vorbilder, die Sie auf Ihrem Fachgebiet weitergebracht bzw. besonders fasziniert haben?

Meine Vorbilder waren Personen, bei denen es nicht um ihre eigene Person, sondern um die Sache aber vor Allem um die Patienten ging. Besonders geprägt haben mich dabei u.a. Prof. Margreiter (Innsbruck), Prof. Pichlmayr (Hannover), Prof. Trede (Mannheim) und Prof. Nagino (Japan).

Es fasziniert mich, dass man lebenswichtige Organe austauschen und damit einem Patienten ein normales Leben zurückgeben kann. Die Möglichkeit, Bauchorgane zu transplantieren, ist besonders beeindruckend.

Prof. Dr. Alfred Königsrainer

Zu einem wichtigen Schwerpunkt ihrer Arbeit am Uniklinikum in Tübingen entwickelte sich fortwährend die Transplantation von Bauchorganen. Was ist für Sie das Faszinierende daran?

Es fasziniert mich, dass man lebenswichtige Organe austauschen und damit einem Patienten ein normales Leben zurückgeben kann. Die Möglichkeit, Bauchorgane zu transplantieren, ist besonders beeindruckend. Es ist erstaunlich, wie ein solcher Eingriff das Leben eines Menschen grundlegend verändert. Darüber hinaus hat mich auch die Gebärmuttertransplantation fasziniert. Ich habe miterlebt, wie bedeutend es für eine Frau ist, durch diesen Eingriff die Möglichkeit zu erhalten, ein eigenes Kind zu bekommen.

Als „guter“ Chirurg zeichnet sich jemand durch Bescheidenheit, Zielstrebigkeit, Selbstreflexion und den Glauben aus, niemals aufzugeben.

Prof. Dr. Königsrainer

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Chirurgen aus?

Als „guter“ Chirurg zeichnet sich jemand durch Bescheidenheit, Zielstrebigkeit, Selbstreflexion und den Glauben aus, niemals aufzugeben.

Nach einem ersten gescheiterten Anlauf 1995, als Sie wieder nach Südtirol zurückkamen und ihre Pläne in die Tat umsetzen wollten, scheint es nun am Gesundheitszentrum ST. JOSEF in Meran zu gelingen. Wenn ich richtig informiert bin, ging es Ihnen schon 1995 darum, eine kompetitive Chirurgie in Südtirol aufzubauen. Was hat sie dazu bewogen, in die Heimat zu zurückzukehren?

Mein Bestreben, 1995 nach Südtirol zurückzukehren und dort eine kompetitive Chirurgie für das Land aufzubauen, scheiterte aufgrund vieler Hindernisse, bei denen es vielfach um politische Interessen als um die Anliegen von Patienten ging. Damals war ich 40 Jahre alt und nicht bereit meine Energie mit Streitigkeiten zu vergeuden, ebenso sah ich kein Licht am anderen Ende des Tunnels. Deshalb kehrte ich an die Uniklinik in Innsbruck zurück. Nun, da meine Karriere abgeschlossen ist, möchte ich meiner Heimat etwas zurückgeben.

Die derzeitigen Schwierigkeiten im öffentlichen Gesundheitssektor in Südtirol, von denen man immer wieder in den Medien liest, bergen zugleich Chancen für private Gesundheitseinrichtungen und -kliniken. Welches Potential sehen speziell in ihrer Funktion als gesundheitlicher Direktor im Gesundheitszentrum ST. JOSEF?

Ich sehe im Gesundheitszentrum St. Josef in Meran die Möglichkeit, den öffentlichen Gesundheitssektor zu entlasten und so den öffentlichen Einrichtungen zu ermöglichen, ihre Aufgaben besser nach zu kommen. Es ergänzt sich gut.

Was macht die Arbeit im Gesundheitszentrum ST. JOSEF mit renommierten Ärzten, Pflegern und Therapeuten für Sie besonders reizvoll? Welche Schwerpunkte verfolgen Sie im Gesundheitszentrum?

Die Arbeit im Gesundheitszentrum ST. JOSEF reizt mich, weil ich bisher immer Kranke behandelt habe. Ich konnte viele Leben retten und Leiden lindern. Aber ich habe mich immer gefragt, wie es wäre, wenn diese Patienten früher zu mir gekommen wären und gar nicht erst erkrankt wären. Im St. Josef konzentrieren wir uns auf Prävention und Vorsorge. Unser Ziel ist es, Menschen zu motivieren und zu begleiten, einen gesunden Lebensstil zu pflegen, Krankheiten durch Früherkennung zu vermeiden und im Falle einer Erkrankung die Gesundheit schnellstmöglich wiederherzustellen. In diesem Bereich gibt es noch viel Potenzial.

Transplantation ist ein sehr emotionales Thema, da es auch mit dem Tod verbunden ist, aber es ist noch nicht ausreichend in der Gesellschaft präsent.

Prof. Dr. Königsrainer

Neben ihrer praktischen Arbeit als erfahrener Mediziner sind Sie seit nunmehr zwanzig Jahren auch Dreh- und Angelpunkt der grenzüberschreitenden Radveranstaltung „Euregio-Tour für Transplantation“, die in diesem Jahr vom 30. Juni bis 2. Juli 2023 stattfand. Was hat es damit auf sich?

Wir wollen mit dieser Veranstaltung auf die Bedeutung der Organspende aufmerksam machen, ohne Organspende keine Transplantation. Transplantierte sind normale Menschen, die wie wir alle auch arbeiten und in der Lage sind, sportliche Höchstleistungen zu erbringen. Indem wir an den Menschen vorbeifahren und zeigen, wie Organspende helfen kann, möchten wir Transplantierte als normale Menschen darstellen. Transplantation ist ein sehr emotionales Thema, da es auch mit dem Tod verbunden ist, aber es ist noch nicht ausreichend in der Gesellschaft präsent. Wir möchten über Organspende sprechen und die Menschen für dieses Thema sensibilisieren. Das kann nur mit der Beteiligung von Transplantierten erreicht werden.

Vielen Dank für das Gespräch

Dieser Beitrag erschien in etwas abgewandelter Form zuerst in der Bezirkszeitung Die BAZ. Näheres unter diebaz.com. Hier geht’s zurück zur Startseite von tirol news!

Bildnachweis: Prof. Dr. Königsrainer © Gesundheitszentrum ST. Josef, Meran
  • 28. August 2023