Herbert Dorfmann: „Das wäre ein wirklich wichtiger Schritt“

Europaabgeordneter Herbert Dorfmann im Plenum des EU-Parlaments © str/ Herbert Dorfmann

Selbst wenn die Sitzungen des EU-Parlaments für die meisten von uns meilenweit entfernt liegen, wird in Brüssel und Straßburg doch zu Themen debattiert, die uns alle angehen. Das beginnt beim leidigen Thema „Wolf“ und reicht bis hin zur Haltbarkeit von Waschmaschinen oder Smartphones. Ein STOL Sonntags-Gespräch mit Herbert Dorfmann.

STOL: Herr Dorfmann, welche Themen stehen im EU-Wahljahr 2024 im Vordergrund?

Herbert Dorfmann: Wir befinden uns in einer intensiven Phase mit wichtigen Abstimmungen. Es gibt bedeutende Dossiers, die wir dieses Jahr abschließen müssen. Der Migrationspakt ist eines der größten Projekte, das hoffentlich endgültig abgeschlossen wird.

STOL: In der vergangenen Plenarwoche standen aber zunächst noch andere Themen auf der Tagesordnung. Sie waren in dieser Woche gleich in mehreren Funktionen gefragt, insbesondere als Mitglied des Haushaltsausschusses. Wie sehen Sie die Debatte um die Aufstockung des EU-Haushalts?

Dorfmann: Die Aufstockung ist ein großes politisches Thema. Es gibt immer noch Bereiche in der EU, in denen wir Probleme haben und die Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten benötigen. Um die Hilfen für die Ukraine zu erhalten, mussten wir leider der Erpressung von Herrn Orban nachgeben. Die EU-Kommission hat nun 10 Milliarden Euro für Ungarn freigegeben. Dieses Geld war bisher blockiert, da Ungarn den Rechtsstaatsmechanismus nicht einhält. Ungarn ist derzeit das Land, das sich wirtschaftlich am schwersten in der gesamten EU tut.

STOL: Die damit in Verbindung stehende Resolution beinhaltete die Forderung, keine weiteren Gelder mehr freizugeben. Bezog sich die Resolution ausschließlich auf Ungarn?

Dorfmann: Ja, die Resolution bezog sich speziell auf Ungarn. Wir haben das Rechtsstaatsproblem vor allem in Ungarn. In Polen haben die Wähler eine radikale Entscheidung getroffen und eine neue Regierung gewählt, die versucht, den Rechtsstaat wiederherzustellen. In der Slowakei bahnt sich eine ähnliche Situation an. Aber derzeit ist Ungarn das größte Problem.

STOL: Waren Vertreter von Ungarn bei der Tagung in Straßburg anwesend?

Dorfmann: Natürlich waren die ungarischen Kollegen hier. Sie sind jedoch sehr isoliert. Die größte Fraktion der ungarischen Abgeordneten, jene aus der ungarischen Regierungspartei „Fidesz“, war bis vor ihrem Ausschluss vor 2 Jahren Teil der Europäischen Volkspartei. Jetzt sitzen diese ungarischen Kollegen als freie Abgeordnete ohne Fraktion im Parlament und haben damit wenig Einfluss. Es gibt einige weitere Abgeordnete aus Ungarn in den Reihen der Sozialdemokraten. Die Spannung der ungarischen Lager ist damit auch hier spürbar. So kommt es, dass in Straßburg nicht nur auf Ebene des EU-Parlaments, sondern auch staatsintern zwischen den ungarischen Abgeordneten durchaus kontrovers debattiert wird.

STOL: Hat Ungarn sich im Vorfeld der Resolution dazu geäußert?

Dorfmann: Ich habe keine direkte Äußerung von Viktor Orban gehört. Er nutzt die Europäische Union stark für sein Narrativ zu Hause in Ungarn und macht die EU für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Menschen in Ungarn spüren, verantwortlich. Es ist vergleichbar mit dem Spannungsfeld, dem wir viele Jahre lang in Bezug auf Polen ausgesetzt waren.

STOL: Wo liegt die Hoffnung der EU in Bezug auf die Resolution und Ungarn?

Dorfmann: Wir können unseren Rechtsstaatsmechanismus in Gang bringen und Gelder zurückhalten. Das haben wir die letzten Monate getan. Eine radikale Entscheidung wäre, Ungarns Stimmrecht im Rat nicht mehr geltend zu machen. Aber letztendlich wäre das Beste, wenn die Bürger in Ungarn auf demokratische Weise verstehen, dass ihnen diese Orban-Regierung nicht mehr gut tut und sie eine andere politische Entscheidung treffen. Wir hoffen, dass dies bei den nächsten Wahlen der Fall sein wird, auch wenn diese derzeit noch weit in der Zukunft liegen.

STOL: Worin sehen Sie die wesentlichen Herausforderungen bei der kontinuierlichen Unterstützung der Ukraine, die mit der Budgetaufstockung in Verbindung steht?

Dorfmann: Die größte Herausforderung ist, dass der Krieg in der Ukraine endlich zu Ende gehen muss. Es braucht eine diplomatische Offensive, um beide Seiten zu überzeugen, damit man aus diesem Krieg herauskommt. Wir haben der Ukraine und Moldawien einen Beitritt zur Europäischen Union versprochen, was natürlich nicht umsonst kommt. Die Ukraine muss alle Regeln einhalten, um zur EU beizutreten.

Wir haben inzwischen weitere 50 Milliarden Euro an Hilfen für die Ukraine freigegeben, aber uns ist klar, dass der Beitritt zur EU nicht von heute auf morgen kommen kann. Die Ukraine ist ein großes Land und würde flächenmäßig der größte Mitgliedsstaat der EU werden. Das ist geopolitisch und militärisch eine Herausforderung. Ich denke, deshalb sollten wir uns auch die notwendige Zeit lassen, das ist in unserem Interesse aber wahrscheinlich auch im Interesse der Ukraine.

STOL: Bis wann schätzen Sie, dass die geplante Aufstockung des EU-Haushalts abgeschlossen wird?

Dorfmann: Das ist letzten Endes eine Entscheidung, die die Mitgliedstaaten treffen müssen. Wir im Parlament können uns nur im Rahmen des mehrjährigen Haushalts, also des 7-Jahres-Haushalts der EU, bewegen. Die Staaten haben bekundet, dass sie bereit sind, für die Hilfen für die Ukraine frisches Geld hinzuzuschießen. Allerdings gibt es ein Problem, dass die Staaten nicht bereit sind, Inflationsausgleichsgeld zu leisten. In allen anderen Politiken, vor allem in der Landwirtschaftspolitik, erleben wir, dass diese Inflation die Beihilfen, die wir als EU bezahlen, kleiner werden lässt. Was nun aber die Hilfen an die Ukraine anbelangt, so wird es sicher zu einer dementsprechenden Aufstockung kommen.

EU-Parlament will Greenwashing Einhalt gebieten

STOL: Am Mittwoch, 17. Jänner, wurde im Parlament auch über eine Verschärfung der Produktkennzeichnung abgestimmt, um „Greenwashing“ zu unterbinden. Was bedeutet das konkret und was halten Sie von diesen Neuerungen?

Dorfmann: Ich unterstütze diese Richtlinie sehr, da sie im Sinne des Verbraucherschutzes richtig ist. Wir erleben immer häufiger, dass Produkte mit Aussagen wie „natürlich produziert“, „100 Prozent abbaubar“, „grüner Strom“ oder „grüne Flüge“ verkauft werden. Es ist gut, dass die Idee der Nachhaltigkeit auf die Produkte heruntergebrochen wird und der Konsument bereit ist, mehr zu bezahlen, wenn er weiß, dass er ein nachhaltiges Produkt kauft. Aber das Produkt muss dann auch effektiv nachhaltig sein.

Eine Studie der Europäischen Kommission zeigt, dass nur etwa 50 Prozent dieser Angaben wahr sind. Die anderen 50 Prozent sind schlichtweg Lügen. Dieses „Greenwashing“ auf Etiketten, Stromrechnungen, Flugtickets und in der Werbung wollen wir abschaffen. Wir wollen dem Konsumenten garantieren, dass wenn auf einem Produkt „100 Prozent abbaubar“ steht, es auch „100 Prozent abbaubar“ sein muss. Wenn er einen Stromvertrag abschließt, der besagt, dass er nur „grünen Strom“ bekommt, muss nachgewiesen werden, dass der Strom aus nachhaltigen Energiequellen stammt. Das ist ein wichtiges Element des Verbraucherschutzes, das wir nun umsetzen wollen.

STOL: Ein wichtiger Bestandteil bei diesem Programmpunkt ist das Verbot von Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht auf offiziellen Zertifizierungsregelungen beruhen oder von öffentlichen Behörden eingeführt wurden. Wie stellt man sich das konkret vor und was bedeuten diese Neuerungen für Südtirol?

Dorfmann: Wir haben unterschiedliche Situationen. Im Lebensmittelbereich ist der Begriff „biologische Landwirtschaft“ oder „Biolebensmittel“ seit vielen Jahren geregelt. Wenn jemand heute ein Biolebensmittel kauft, müssen mindestens die europäischen Mindeststandards eingehalten werden. Bei anderen Produkten war das bisher auch geklärt, allerdings entsprechen immer noch viele Produkte nicht diesen Kriterien. Was nun das Nachhaltigkeitssiegel in Südtirol anbelangt, hoffe ich, dass es dementsprechend bereits kontrolliert wird. Jene Produzenten, die ihr Produkt hingegen bislang nur zum Verkauf als nachhaltig bezeichnet haben, werden sich anpassen oder auf diese Bezeichnung verzichten müssen.

STOL: Wird es in diesem Zusammenhang also neue Prüfstellen geben?

Dorfmann: Jetzt müssen die Mitgliedstaaten diese Richtlinie erst einmal umsetzen. Dafür haben sie 24 Monate Zeit. Im Zuge dessen müssen sie auch entscheiden, wer bei ihnen letztendlich kontrolliert. Sicher ist: Es muss auf Ebene der Mitgliedstaaten Kontrollstellen geben, die die Produktaussagen auch dementsprechend überprüfen.

STOL: Sind die Sanktionen bei widerrechtlichen Handlungen bereits von EU-Ebene vorgegeben?

Dorfmann: Im Grundsatz ist die Sanktionierung in der Richtlinie bereits vorgesehen. Da es sich um eine Richtlinie handelt, braucht es jedoch ein Staatsgesetz, in dem die genauen Sanktionen dann auch festgelegt werden.

STOL: Ein weiterer wichtiger Punkt in der Richtlinie ist das Verbot von willentlich hinzugefügten Eigenschaften bei Produkten und Lebensmitteln, die die Haltbarkeit beschränken. Was können sich Verbraucher in diesem Hinblick erwarten?

Dorfmann: Die Haltbarkeit ist ein komplexes Thema. Bei Produkten wie Milch oder anderen verderblichen Lebensmitteln ergibt eine klar definierte Haltbarkeit und Kennzeichnung des Verfallsdatums Sinn. Bei anderen Lebensmitteln, wie beispielsweise Teigwaren, führt die Kennzeichnung allerdings oft zu Missverständnissen, da viele Konsumenten, diese Produkte bereits entsorgen, wenn sie das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, obwohl sie oft noch darüber hinaus genießbar wären. Das trägt zu der Tatsache bei, dass in der EU, Studien zu Folge, etwa 25 Prozent der gesamten Lebensmittel verschwendet werden.

STOL: Mit der Verschärfung der Richtlinie soll nicht zuletzt auch die geplante Obsoleszenz bei Produkten verhindert werden. Viele ältere Menschen kennen noch die Geschichte um die einst unkaputtbare Waschmaschine. Um Konsumenten allerdings nach einer gewissen Zeit doch wieder zu einem Neukauf zu bewegen, hatten Hersteller letztlich vielfach Elemente eingebaut, die die Haltbarkeit der Produkte deutlich senkten. Wie plant das Europaparlament, dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Dorfmann: Wir haben versucht, Regulierungen einzuführen, um zu verhindern, dass Produzenten bewusst Elemente in ihre Produkte einbauen, die deren Lebensdauer verkürzen. Mit der angepassten Richtlinie wird auf jedem Produkt eine neue Etikettierung über eine mögliche Verlängerung der Garantie angebracht. Das soll Produzenten davon abhalten, Produkte herzustellen, die bewusst frühzeitig kaputt gehen.

Das ebenfalls ist nicht nur im Sinne des Verbrauchers, sondern auch im Sinne des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Insbesondere Elektrogeräte landen oft nach der Entsorgung außerhalb Europas und werden dort unter unmenschlichen Bedingungen „recycelt“. Wir müssen deshalb alles dagegen unternehmen, um diesen Missstand zu beheben.

EU Rat will Schutzstatus von Wolf herunterstufen

STOL: Die Wolf-Sichtungen der vergangenen Monate beunruhigen viele Südtiroler. Zwar stand das Thema bei der Tagung diesmal nicht auf der Tagesordnung, behält aber seine Aktualität auch auf EU-Ebene. Es gab bereits 2017 von Ihrer Seite eine interessante Anfrage an die EU-Kommission in Bezug auf den Schutzstatus von hybridisierten Wölfen. Wie gehen die Entwicklungen in Puncto „Großraubwild“ auf EU-Ebene weiter?

Dorfmann: 2017 gab es eine Fehlinformation im italienischen Parlament durch die Fünf-Sterne-Bewegung, dass hybridisierte Wölfe dem internationalen Artenschutz unterliegen würden. Auf meine Anfrage hin hat die EU-Kommission klargestellt; hybridisierte Wölfe sind nicht geschützt und sollen sogar zum Schutz bestehender Wolfspopulationen entnommen werden. Die Herausforderung besteht in der Praxis darin, diese Hybride zu identifizieren.

Kurz vor Weihnachten ist es dem EU-Rat nun gelungen die Mitgliedsstaaten zu einer Abstimmung zu zwingen, um den Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention herabzustufen. Ich bin aktiv in Gesprächen mit verschiedenen Interessensvertretern, um sicherzustellen, dass diese Abstimmung erfolgreich ist. Es ist wichtig, dass diese Abstimmung im März nicht schiefgeht, und dass es dann effektiv zu einer Herabstufung kommt. Das wäre ein erster wirklich wichtiger Schritt, um endlich einen Schritt nach vorne zu machen.

STOL: Wie kommt es, dass das Thema „Großraubwild-Bekämpfung“, auf EU-Ebene anscheinend noch immer nicht in seiner Ernsthaftigkeit erkannt wurde? Worin lagen bislang die wesentlichen Probleme?

Dorfmann: Ich glaube, dass sich oft die Katze selbst in den Schwanz beißt. Ich verstehe die Bauern und auch einen Großteil der Bevölkerung im ländlichen Raum, die das Gefühl haben, dass die Dinge zu langsam vorangehen. Auf der einen Seite haben wir auf EU-Ebene einen hohen Schutzstatus für Wölfe und Bären. Auf der anderen Seite nutzen Mitgliedsstaaten, insbesondere Italien, die bestehenden Möglichkeiten zur Regulierung dieser Populationen nicht ausreichend.

Es gibt Staaten in Europa, wie zum Beispiel Frankreich, Slowenien oder Schweden, die wesentlich massiver in die bestehenden Populationen eingreifen. Italien hat das nie getan. Man hatte nie die Courage, auf staatlicher Ebene Entscheidungen in dieser Hinsicht zu treffen. Und wir haben auf der anderen Seite Richter, die sich immer wieder auf die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU berufen und sich damit herausreden.

In den vergangenen Monaten ist die Europäische Kommission zwar flexibler geworden, aber das nützt nichts, wenn Richter das Vorgehen dann blockieren. Deshalb müssen wir jetzt auch ganz oben anfangen. Wir müssen auf Ebene der Berner Konvention festlegen, dass der Wolf diesen hohen Schutzstatus heute schlichtweg nicht mehr braucht. Es gibt heute über 20.000 Wölfe in Europa, das ist keine Art mehr, die vom Aussterben bedroht ist. Wir müssen in der Folge dann in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie die Dinge richtigstellen, und dann werden Richter auch nicht mehr die Möglichkeit haben, Urteile zu fällen, wie sie sie leider bei uns in Südtirol und im Trentino und insgesamt in Italien bislang gefällt haben.

Das Problem hybridisierter Wölfe

STOL: Gab es auf EU-Ebene eigentlich bereits eine Studie darüber, wie hoch der Anteil an hybridisierten Wölfen in Europa ist?

Dorfmann: Die Frage der Hybridisierung ist ein sehr italienisches Problem, und das nicht unbedingt in der Alpenpopulation, sondern der Apennin-Population. Der Wolf hybridisiert sich nicht mit jedem Hund, sondern nur mit einigen wenigen Rassen, die dem Wolf sehr ähnlich sind. Vor allem mit dem Tschechoslowakischen Wolfshund. Dieser kommt vor allem in Italien vor und streunt dementsprechend leider auch in Italien.

Die streunenden Hunde werden dann zum großen Problem, wenn sie auf Wölfe treffen und es eben zu diesen Hybriden kommt. Diese nehmen nämlich das Verhalten der Hunde an. Das heißt, sie werden auch für den Menschen gefährlich, weil bei ihnen die Scheu abnimmt, die der Wolf vor dem Menschen von Natur aus hat. Zum Glück gibt es dieses Problem der Hybridisierung in den Alpen noch nicht in diesem Ausmaß. Auch haben wir viel weniger streunende Hunde. Aber im Apennin sind hybridisierte Wölfe nach wie vor ein großes Problem und stellen rund ein Viertel der gesamten Population dar.

Europaweiter Behindertenpass nimmt Form an

STOL: Die erste Plenartagung stand auch im Zeichen der Menschen mit Beeinträchtigung in Europa. Sonderkonditionen sollen künftig alle Inhaber des europaweiten Behinderten-Ausweises sowie der EU-Parkkarte erhalten. Worum geht es hier konkret?

Dorfmann: Das ist ein weiteres leidiges Thema in Europa. Bisher gibt es auf EU-Ebene keine einheitliche Regelung für Behindertenausweise. Menschen mit Beeinträchtigungen haben sich in den letzten Jahren immer wieder bei mir beschwert, weil ihr italienischer Ausweis in einem anderen Mitgliedsstaat nicht anerkannt wurde. Es gab immer wieder Probleme. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir hier eine einheitliche Regelung schaffen. Es sollte einen europäischen Behindertenausweis geben, der in ganz Europa die gleichen Rechte und Pflichten gewährt. Denn eine Beeinträchtigung kann nicht in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich gehandhabt werden.

STOL: Wurden die Arbeiten in der ersten Plenarwoche abgeschlossen?

Dorfmann: Ja, das ist ein Thema, bei dem es eine sehr breite Mehrheit im Parlament gibt. Es ergibt absolut Sinn, dass wir Menschen mit Beeinträchtigungen die Sicherheit geben, dass sie einen Ausweis in der Hand haben, der in der gesamten EU die gleichen Rechte mit sich bringt. Es liegt nun bei den Mitgliedstaaten die Richtlinien entsprechend auf gesamteuropäischer Ebene auch umzusetzen.

STOL: Am 17. Jänner (Mittwoch) kam das Thema der Musik-Streamingdienste zur Ansprache. Hier wurde über eine Resolution für bessere Bedingungen für Künstler abgestimmt. Inwiefern könnte das auch für Südtiroler Kulturschaffende eine positive Entwicklung nehmen?

Dorfmann: Es handelt sich hierbei um eine Resolution, also keine Gesetzgebung, sondern eine Stellungnahme des Parlaments. Künstler berichten oft, dass sie auf Streaming-Diensten sehr einseitig behandelt werden. Insbesondere Künstler, die nicht so große Zahlen wie internationale Stars erzielen, erhalten oft nur ein Trinkgeld. Das ist natürlich ein komplexes Thema, da es sich um private Anbieter handelt, die meist nicht in Europa ansässig sind.

Was wir als Parlament mit dieser Erklärung zum Ausdruck bringen wollen, ist, dass das Recht der Künstler besser geschützt werden soll und dass sie eine Möglichkeit haben sollten, von solchen Streaming-Anbietern eine angemessene Entschädigung zu erhalten. Die EU-Kommission muss jetzt überprüfen, inwieweit es möglich ist, in private Verträge einzugreifen. Das wird sicherlich nicht zeitnah passieren, nachdem wir fast am Ende der Amtszeit angelangt sind. Insgesamt denke ich aber schon, dass das Recht der Künstler auf eine Entschädigung gewahrt sein sollte.

STOL: Erlauben Sie uns eine letzte Frage zur vergangenen Jahresauftakttagung in Straßburg. Der Europäische Rat und die EU-Kommission haben im Rahmen der Plenarwoche zu Erklärungen zum neofaschistischen Aufmarsch am 7. Jänner in Rom aufgerufen. Wie ist die Debatte im EU-Parlament verlaufen?

Dorfmann: Der linke Flügel des Hauses wollte diese Debatte zu den Vorfällen in Italien haben. Es ist natürlich nicht gut, was am 7. Januar in Rom passiert ist, aber daraus zu schließen, dass wir in Italien jetzt einen faschistischen Staat hätten, davon sind wir noch weit entfernt. Die linke Seite des Hauses hat sich am Montag bei der Erstellung der Tagesordnung durchgesetzt, dass wir in dieser Woche über dieses Thema diskutieren.

Bei der Debatte, die wir dann im Parlament hatten, war aber weder von den Sozialdemokraten noch von den Grünen nicht ein einziger Abgeordneter anwesend. Das ist schon einigermaßen lächerlich. Aber ich denke, so schlimm die Vorfälle in Rom waren, kann man nicht sagen, dass wir in Italien jetzt in einem faschistischen Staat leben. Man muss die Dinge gut auseinanderhalten.

Wenn einige alte Herren ihren faschistischen Gruß machen, dann ist das schlimm, das sollte man nicht gutheißen, aber andererseits kann man auch nicht – wie vom linken Flügel im Parlament angedeutet – daraus schließen, dass die gesamte italienische Regierung auf dieser Seite wäre. Insofern war der Punkt auf der Tagesordnung zum Teil bereits ein Vorwahlspektakel, das hier in Straßburg stattgefunden hat.

Dieser Beitrag erschien als Sonntags-Gespräch auf dem Nachrichtenportal STOL. Näheres unter stol.it. Den Quellbericht finden Sie hier: stol.it/Sonntags-Gespräch-Dorfmann. Hier geht’s zurück zur Startseite von tirol news!

Bildnachweis: Europa-Abgeordneter Herbert Dorfmann im Plenum des EU-Parlaments © str/ Herbert Dorfmann
  • 29. Januar 2024