Leben im Schloss Lebenberg – mit Anouschka van Rossem
Wollte nicht jeder schon einmal in seinem Leben Prinz oder Prinzessin sein, oder wenigstens einmal in einem Schloss leben? Wie idyllisch diese Vorstellung aber klingen mag, so kann das Leben im Schloss im Winter auch ganz schön ungemütlich sein. Anouschka van Rossem wohnt mit ihrer Familie auf Schloss Lebenberg. Ein Gespräch über das Leben in einem der schönsten Schlösser des Landes.
Schloss Lebenberg ist nicht zuletzt eines der Aushängeschilder, wenn es um die Vermarktung der Tourismusregion Südtirol geht. Ein Schloss mit einer langen Geschichte. Erzählen Sie uns ein wenig über die Ursprünge und den Zweck dieses Schlosses.
Anouschka van Rossem: Die Bilder unseres Schlosses sind in der Werbung für Südtirol tatsächlich eines der Hauptmotive. Ich erinnere mich an Reklamen in Rahmen der Vinitaly, worauf Lebenberg gleich nach den drei Zinnen dargestellt gestellt wurde. Auch im Bürgernetz der Provinz wird mit den beiden Motiven das Land repräsentiert. Als Schlosseigentümer, freuen wir uns natürlich darüber. Leider kommt es aber oft dazu, dass man zwar mit uns Werbung macht, jedoch keinen Hinweis darauf gibt, dass es sich beim Motiv um das Schloss „Lebenberg“ handelt. Das kann einen dann schon auch manchmal ärgern. Aber zurück zur Frage. Schloss Lebenberg wurde um 1260 erbaut, einer Zeit, in der eigentlich die meisten Schlösser in der Umgebung errichtet worden sind. Fast 400 Jahre lang war es in Besitz der Grafen Fuchs, von 1425 bis 1828. Sie waren es, die das Schloss im Wesentlichen zu dem gemacht haben, was es heute ist. Es war ursprünglich sehr viel kleiner; eine einfache Burg, mit Palas, Bergfried und Burgmauern. Mit Familie Fuchs ist das Anwesen immer größer geworden und erhielt schließlich diesen schlossähnlichen Charakter. Nach den Grafen Fuchs hat sich das Schloss nicht mehr viel verändert. Es hat mehrere Besitzerwechsel erlebt. Wichtig darunter war die Meraner Familie Kirchlechner; vor allem die Witwe Kirchlechner hat in der Geschichte des Anwesens einiges zum Erhalt der Gebäude beigetragen und auch den Bau der Straße zum Schloss vorangetrieben. Nach Familie Kirchlechner gab es noch andere kurzweilige Besitzer, die aber keine nennenswerte Entwicklung mit sich gebracht hatten, bis 1925 mein Großvater das Schloss erwarb und ihm wieder zu neuem Glanz verhalf.
Sie sagten Lebenberg sei als Burg errichtet worden. Gab es hierorts auch einen Gerichtssitz?
Interessanterweise befand sich in der Geschichte von Lebenberg nie ein Gerichtssitz auf dem Anwesen. Einen solchen gab es auf dem sogenannten „Stein unter Lebenberg“, etwas unterhalb des Schlosses. Die Grafen Fuchs hatten das Anwesen als Lehen bekommen und damit den Besitz der Grafen von Tirol verwaltet. Zum großen Glück muss man heute sagen, ist das Schloss im Laufe der Jahrhunderte nie zerstört worden. Viel mehr aber eben oft umgebaut und erweitert.
Welche baulichen Besonderheiten hat das Schloss?
Lebenberg ist eines der größten Schlösser im Land. Besonders zu erwähnen ist, dass sowohl die ursprüngliche Burgmauer, der Bergfried, der Palas als auch die Burgkapelle sehr gut erhalten geblieben sind. Im Zuge der vielen Erweiterungs- und Umgestaltungsarbeiten am Schloss wurden die Gebäude innerhalb der Befestigungsmauern immer mehr ineinander integriert und so kam es dazu, dass die Kapelle, die anfangs außerhalb der Mauern stand, am selben Standort wesentlich näher in die Mitte des Anwesens rückte. Für ein Tiroler Schloss einzigartig ist auf Lebenberg die Öffnung in Richtung Süden mit viel mediterranem Grün und einem wunderbaren Schlossgarten.
Das Anwesen hat in seiner Geschichte einige Male Besitzer gewechselt. Von den Herren von Marling, der Adelsfamilie Fuchs, der Familie Kirchlechner bis hin zu ihrer Familie „van Rossem“. Was waren die Beweggründe dafür?
Nach dem Tod des letzten Grafens Fuchs fand sich kein Nachkomme mehr. Die Besitzwechsel, die darauf folgten, hatten wohl vorwiegend ökonomische Gründe. Unter Karl Kirchlechner durchlebte das Schloss eine sehr lustige Zeit. Nicht zuletzt dank dessen Wegbegleiters Friedrich Lentner, mit dem er auf Lebenberg die berüchtigte „Stehweingesellschaft“ ins Leben rief.
Mitte der Goldenen 20er Jahre gelangte Schloss Lebenberg in die Hände ihrer Familie. 1925 erwirbt ihr Großvater Adrian van Rossem van Sinoutskerke das Anwesen. Van Rossem van Sinoutskerke, kein typischer Südtiroler Nachname. Wie kam ihre Familie nach Tscherms?
Die Verbindung liegt näher als man glaubt. Meran war Anfang des 20. Jahrhunderts eine sehr internationale Stadt; ein Zeuge dafür ist nicht zuletzt der Protestantische Friedhof in der Luis Zuegg Straße. Zu jener Zeit kam auch mein Großvater aus Holland in die Kurstadt, mit dem Ziel sich hier niederzulassen. Auf der Suche nach einem Anwesen besichtigte er die damals zum Verkauf stehenden Ansitze Schloss Goyen in Schenna und Schloss Lebenberg in Tscherms. Dass er sich für Lebenberg entschieden hat, lag vermutlich am dazugehörigen Wald.
Können Sie uns näher über die Herkunft ihrer Familie berichten?
Die Familie meines Großvaters stammt aus Rotterdamm in den Niederlanden. Van Rossem van Sinoutskerke waren Patrizier und Mitbegründer der sogenannten Ostindischen Kompanie. (Anm. d. Red. Einer Gesellschaft, die für den Handel mit Indien sowie Südost- und Ostasien privilegiert war). Somit hatte auch mein Großvater als Jugendlicher in Übersee sein Glück gemacht und kehrte, nachdem er seine Habe dort verkauft hatte, nach Europa zurück, um dort seinen Lebensabend zu verbringen und sesshaft zu werden. Zurück nach Holland wollte er nicht und so führte ihn seine Reise schließlich hier her nach Tscherms.
Sie sind auf dem Schloss aufgewachsen. Wie kann man sich das vorstellen? Wie lebt es sich auf solch einem geschichtsträchtigen Anwesen?
Da muss ich unterscheiden zwischen „Leben als Kind“ und „Leben heute als Erwachsene“. Als Kind fand ich das Leben auf dem Schloss absolut lustig und toll. Mit meinen Freunden habe ich jeden Winkel erkundet; vieles von alledem wissen die Eltern bis heute noch nicht, wie ich sicher vieles nicht weiß, was meine Kinder so alles auf dem Schloss angestellt haben. Als Erwachsene sehe ich vieles mit etwas anderen Augen. Wir diskutieren in der Familie oft darüber. Im Winter ist es meist sehr schwierig im Schloss, nicht zuletzt auch die Räumlichkeiten einigermaßen warm zu halten. Schwierig ist das Leben hierorts aber auch gerade deshalb, weil man als Besitzer eines so historischen Anwesens heute eine viel größere Verantwortung innehat und jeder Tag neue Herausforderungen mit sich bringt, um das Schloss zu erhalten. Während der Museumssaison von Ostern bis Ende Oktober sieht alles schön und gepflegt aus. Doch in so einem solchen Anwesen steckt sehr sehr viel Arbeit und Mühe.
Gibt es für Sie so etwas wie einen Lieblingsort im Schloss?
Es gibt viele Orte auf dem Schloss, an denen ich mich gerne zurückziehe. Besonders gehört dazu eine Stelle in unserem privaten Garten.
Als Schlossdame von Lebenberg schien die Rolle als künftige Kuratorin des Anwesens naheliegend gewesen zu sein. War es für Sie aber immer klar, dass sie auf dem Schloss bleiben werden?
Nach der Schule in Tscherms habe ich das Klassische Gymnasium in Meran besucht, wohl gemerkt mit Altgriechisch als Fach. Nach der Matura bin ich dann erstmal für drei Jahre zurück nach Hause aufs Schloss und habe dort die Museumsführungen übernommen. Frei nach dem Motto: nie wieder lernen. Nach diesen drei Jahren entschloss ich mich aber dann bewusst für ein Sprach- und Literatur-Studium in Trient und lernte dort schließlich auch meinen Mann kennen. Nachdem meine beiden Geschwister nicht mehr selbst im Land lebten, hat es sich allmählich herauskristallisiert, dass ich das Anwesen übernehme. Wenn sie mich heute so fragen, war es für mich immer klar, dass ich hierbleiben wollte. Dass es für mich als Jüngste in der Familie in dieser Form sein wird, stand aber immer offen.
Es waren ihre Eltern, die das Schloss Lebenberg erstmals für Führungen öffentlich zugänglich gemacht hatten. Inzwischen ist Lebensberg auch Austragungsort von Veranstaltungen und kleinen Festlichkeiten. Was ist Ihnen als Kuratorin des Schlosses heute wichtig?
Die Schiene mit den Veranstaltungen und die Projekte und Führungen, die auf dem Schloss für Schüler angeboten werden, sind jener Part in der Geschichte des Anwesens, den ich seit Beginn selbst verantworte. Wichtig wäre für mich vor allem, dass wir das Schloss als Familie noch lange weiterführen und erhalten können und dass auch die Nachkommenschaft daran Freude hat und nicht verzweifelt. (lacht) Ich bin ja auch nicht allein, sondern habe meine Mutter, die uns nach wie vor unterstützt.
Welche Projekte oder Events fanden bereits auf Lebenberg statt?
Seit meiner Zeit auf Schloss Lebenberg konnten wir vor Ort schöne Projekte realisieren, die Folkwerkstatt mit Volker Klotz und Markus Prieth, die Austragung der Marlinger Kulturtage, Hochzeiten, bis hin zu Kunstausstellungen, Lesungen und Konzerten oder kleinen Theateraufführungen, wie jene der Seniorengruppe „Überholspur“. Eine besondere Genugtuung sind für mich vor allem jene Projekte und Veranstaltungen, bei denen die Bildungsausschüsse von Marling und Tscherms übergemeindlich zusammen etwas auf die Beine stellen.
Wie sieht die Zukunft von Schloss Lebenberg aus?
Eine schwierige Frage. Wie es gerade aussieht, wird ein Sohn die Landwirtschaft übernehmen. Dazu muss ich sagen: „Gott seid dank!“ Denn das ist heutzutage auch nicht mehr selbstverständlich. Und die beiden anderen Söhne werden ihren Weg ebenfalls finden.
Was das Museum anbelangt, halten Sie hingegen weiterhin mit ihrer Mutter Monika die Stellung?
Absolut. Sie hat bei uns den grünen Daumen und pflegt und hegt die vielen Pflanzen im Schloss, sowie die englischen und französischen bzw. italienischen Gärten.
Ein besonderer Höhepunkt in diesem Jahr wird noch das Einläuten der neuen Glocke der Schlosskapelle werden. Was hat es damit auf sich?
Wie an vielen anderen Orten, so ist auch auf Schloss Lebenberg im ersten Weltkrieg die Glocke der Schlosskapelle entnommen worden. Mit 2023 erhält die Kapelle nun unter anderem auch dank der Mithilfe der beiden Bildungsausschüsse Marling und Tscherms und der Seniorentheatergruppe „Überholspur“ wieder eine Glocke zurück. Angefertigt wird die Glocke von der Firma Grassmayr in Innsbruck. Dazu hat meine Mutter Monika van Rossem die Patenschaft übernommen. Wir freuen uns sehr darauf die Glocke der Schlosskapelle somit bald wieder läuten hören zu können.
Frau van Rossem ich danke Ihnen für das freundliche Gespräch.
Dieser Beitrag erschien in leicht abgewandelter Fassung in der Bezirkszeitung Die BAZ. Näheres unter diebaz.com. Hier geht’s zurück zur Startseite von tirol news!
Bildnachweis: Schlossherrin Anouschka Van Rossem vor dem Tor ihres Schlosses Lebenberg © lanaregion.it/Pressearchiv
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